Flohmarkt

Warum bieten Leute ihre Sachen auf dem Flohmarkt an?

Man kann Dinge, die man nicht braucht, zu Geld machen.

Aber das ist nicht alles. Verkäufer und Besucher verbindet die Überzeugung: Das Neuste muss nicht das Wertvollste sein. Altes hat seinen besonderen Reiz. Etwas scheinbar Wertloses findet seinen Liebhaber. Oft sind am Ende beide froh, der Käufer und der Verkäufer.

Als ich gesehen habe, was sich im Laufe meines Pfarrerlebens angesammelt hat, dachte ich, es sollte einen kirchlichen Flohmarkt geben. Dann müsste ich nicht alles wegwerfen, was früher einmal Bedeutung hatte. Ich war Dolmetscher des alten Gotteswortes, habe es für meine Zeitgenossen übersetzt. Vielleicht ist ein Wort oder ein Gedanke noch brauchbar.

Ich lade Euch ein, auf meinem Flohmarkt zu stöbern. Vielleicht findet Ihr etwas, was für Euch Wert hat.

Alt, aber noch brauchbar

Unter Pfarrern sagt man: „Einen alten Hirsch zum frischen Wasser führen“, wenn man eine frühere Predigt noch einmal verwendet. Das ist natürlich verpönt, weil jede Predigt aktuell sein soll. Aber anregen lassen kann man sich schon, um mit Hilfe des Alten etwas Neues, Eigenes zu machen.


Der Junge ist zwölf, er hat gerade schwimmen gelernt. Jetzt will er oft ins Schwimmbad gehen, damit aus fünf Metern zehn und später fünfzig werden. Damit aus dem Anfänger der Freischwimmer und später der Fahrtenschwimmer wird. Die Oma sagt: „Nimm deine Kusine mit.“ Das Mädchen ist vier, ein fröhliches Kind – warum nicht. Eine Weile macht es Spaß, mit ihr im Nichtschwimmer-Bereich zu toben. Dann aber will der Junge ins Tiefe, richtig schwimmen. Das Mädchen steht am Beckenrand und schaut zu. Auf einmal springt sie dem Jungen direkt vor die Nase und greift nach seiner Hand. Mit Mühe befördert sie der Junge zur rettenden Einstiegsleiter. Der Schreck sitzt ihm in den Gliedern. Das Mädchen versteht nicht, warum der Junge mit ihr schimpft.

Warum können Kinder so leichtsinnig sein? Zum einen fehlt ihnen etwas, was die Erwachsenen haben: Eine lange Kette von Erfahrungen, das Wissen um die möglichen Gefahren, die Angst vor dem Risiko. Zum anderen haben sie etwas, was die Erwachsenen verloren haben: Ein tiefes Grundvertrauen in die Menschen, in das Leben. Wenn ich schreie, bekomme ich Nahrung. Wenn ich mich fallen lasse, werde ich aufgefangen. Wenn ich mir weh tue, werde ich getröstet.

Meint Jesus das, wenn er sagt: „Wenn ihr nicht werdet wie Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“?

Jesu Jünger fuhren nachts über den See und kamen durch ein Unwetter in Bedrängnis. Jesus aber kam über das Wasser zu ihnen. Sie schrieen vor Furcht: Ein Gespenst! Jesus sagte: Seid getrost, ich bin es, fürchtet euch nicht. Und Petrus trat aus dem Schiff und ging auf dem Wasser auf Jesus zu. Als er zu sinken anfing, schrie er: Herr, hilf mir! Jesus ergriff ihn und sprach: Du Kleingläubiger, warum zweifelst du? Sie traten in das Schiff, und der Wind legte sich. (Mattäus 14, 22-33)

Geschichten werden mir zum Gleichnis:
Ich stehe am Rand des Wassers und traue mich nicht hinein. Gott sagt: Spring! Du kannst schwimmen lernen. Wenn du untergehst, ziehe ich dich heraus.
Ich stehe am Fenster des brennenden Hauses. Hinter mir das Feuer. Gott sagt: Spring! Das Fangnetz ist aufgespannt. Der Sprung ist deine Rettung.
Ich stehe vor dem breiten Graben, der sich zwischen mir und meinem Nächsten aufgetan hat. Gott sagt: Spring! Du schaffst es. Ich strecke dir meine Hand entgegen.

Veröffentlicht in Evangelischer Lebensbegleiter, Gütersloher Verlagshaus 2007