Die Taufe

Gesprächsgrundlage im Pfarrkonvent ca. 2005

Die Taufe als Sakrament ist grundlegend für die christliche Kirche. Die geplante Neufassung der Taufordnung kann sich nicht darauf beschränken, einzelne Passagen liberaler zu fassen bzw. der gegenwärtigen Praxis und Situation anzupassen. Ich stelle die folgenden Thesen vor mit der Bitte um kritische Diskussion.

  1. Die Taufe verbindet als gemeinsames Sakrament die großen Konfessionen. Im Gegensatz zu täuferischen Freikirchen wird die Säuglingstaufe geübt. Sie ist darin begründet, dass die Taufe eine Gnadengeschenk Gottes ist, das nicht an menschliche Voraussetzungen gebunden ist. Sie erfordert weder ein bestimmtes Alter noch eine geistige Reife noch ein bewusstes Bekenntnis.
  2. Dennoch betonen die protestantischen Kirchen die Notwendigkeit, getaufte Kinder an den Glauben heranzuführen, ihnen in der Kirche Heimat zu geben und sie zu einer eigenen Entscheidung für die an ihnen vollzogene Taufe fähig zu machen. Deshalb wird Eltern und Paten bei der Taufe das Versprechen abgenommen, die christliche Erziehung zu fördern. Die Taufe gilt zwar lebenslang, sie kann nicht rückgängig gemacht werden. Aber sie wirkt nicht magisch, das Geschenk der Taufe muss im Lebensvollzug immer wieder bewusst gemacht und angenommen werden.
  3. Christliche Eltern lassen ihr Kind frühzeitig taufen, weil sie möchten, dass ihr Kind ohne Verzug in den Gnadenbund Gottes aufgenommen und in die Gemeinschaft der Kirche eingepflanzt wird. Sie wollen nicht, dass ihr Kind ungetauft stirbt. Dafür steht die Einrichtung der Nottaufe. Der Umkehrschluss, dass ein ungetauftes Kind der Gnade Gottes verlustig geht, wird aber mit guten Gründen abgelehnt.
  4. Um der Einheit der Kirche willen und zur Vermeidung von Willkür ist der Vollzug der Taufen Ordinierten vorbehalten. Die Möglichkeit der Nottaufe zeigt aber, dass im Prinzip jeder Christ zum Vollzug der Taufe berechtigt ist. Dies legt die Möglichkeit nahe, dass in Zeiten des Pfarrermangels geeignete Personen (z. B. Diakone und Prädikanten) zu diesem Dienst ordiniert bzw. eingesegnet werden können.
  5. In der Tradition ist die Taufe eng mit dem Patenamt verknüpft. Sie sind nicht nur Taufzeugen und Helfer im Glaubenswachstum, sondern auch Beistand in Fragen der Gesundheit, der Ausbildung und des Berufs bis hin zur Pflegschaft im Falle des Todes der Eltern.
  6. Das Patenamt gehört zu den kirchlichen Rechten. Durch Patenbescheinigungen soll gesichert werden, dass nur konfirmierte Gemeindeglieder, die ihren kirchlichen Verpflichtungen nachkommen, zum Patenamt zugelassen werden. Hier ergibt sich ein häufiger Konfliktstoff zwischen der Kirche und den Eltern. Eltern, die ihr Kind taufen lassen wollen, finden oft keine Paten, die den kirchlichen Vorschriften genügen.
  7. Auch die Vorstellungen, die Eltern von der Taufe haben, sind oft sehr verschieden von den Sinndeutungen der Bibel und der Theologie. Namensgebung, Aufnahme in die menschliche Gemeinschaft, Behütung und Segnung durch eine höhere Macht, Dank an das Leben bzw. an den Schöpfer sind neben der Freude, ein Familienfest zu feiern, Motive des Taufbegehrens für das Kleinkind. Oft sind diese Vorstellungen und Erwartungen konfus, gleichzeitig aber tief in religiöser Sehnsucht begründet.
  8. In dieser Situation sind viele Teile der Tauftheologie und Formulierungen der Taufagende nur schwer zu vermitteln: Der Getaufte wird der Macht des Satans (des Bösen) entrissen. Er wird Eigentum Jesu. Er wird eingetaucht in das Sterben Christi, um mit ihm zu neuem Leben aufzustehen. Er wird eingepflanzt in die Gemeinschaft der Heiligen. Auch dass die Taufe im Gemeindegottesdienst stattfinden soll, weil das Kind ja mit der Taufe in die Gemeinde aufgenommen wird, wird oft nicht verstanden und abgelehnt.
  9. Pfarrer reagieren zwiespältig auf diese Situation. Sie wollen einerseits die kirchliche Ordnung einhalten und die evangelische Tauftheologie vermitteln, andererseits die taufwilligen Eltern nicht verprellen oder verunsichern. Wenn nur eine Minderheit ihre Kinder taufen lässt, ist das Taufbegehren ein Vertrauensbeweis gegenüber der Kirche und teilweise sogar ein Bekenntnis zum Glauben in einer nichtchristlichen Umwelt.
  10. Es ist nicht verwunderlich, dass in einer Landeskirche die ganze Bandbreite von Reaktionen auf diese Situation gegeben ist. Während die einen strikt auf der Einhaltung der Ordnung und der Taufagende bestehen, um die Inhalte nicht preiszugeben, nehmen die anderen alle Barrieren weg, die in einer Zeit der schrumpfenden Gemeindegliederzahlen Menschen davon abhalten, ihre Kinder zur Taufe zu bringen. Sie begründen diese Haltung mit der Liebe zu den Menschen, besonders zu den Kindern, denen der Weg in die Gottesgemeinschaft nicht verbaut werden darf.
  11. Der Ausweg aus diesem Dilemma besteht in der Verbindung von drei Aspekten:
    • den Realitäten Rechnung tragen,
    • die Taufe als Beginn der Nachfolge als Geschenk und Aufgabe deutlich machen,
    • den Segen Gottes großzügig austeilen.
  12. Praktisch kann das bedeuten:
    • ohne äußeren Druck für die Säuglingstaufe werben,
    • mindestens ein Elternteil oder eine Vertrauensperson im Umfeld des Kindes muss unserer Kirche angehören und bereit sein, für die christliche Erziehung einzustehen,
    • zumindest die Billigung des nichtchristlichen Elternteil soll gegeben sein,
    • mindestens ein ev.-luth. Pate muss gefunden werden,
    • den Erziehungsberechtigten muss klar sein, dass die Taufe mit Jesus Christus verbindet, die Aufnahme in die Kirche bedeutet und die Verpflichtung zu einem Leben im Glauben nach sich zieht,
    • im Taufgespräch wird der Sinn der Taufe und der Wortlaut der Taufagende besprochen,
    • die Taufe im Sonntagsgottesdienst oder im Kindergottesdienst oder die Beteiligung von weiteren Gemeindegliedern an gesonderten Taufgottesdiensten wird angestrebt.
  13. Nichtchristen werden bei der Taufe weder ausgeschlossen noch zu Versprechungen oder Handlungen genötigt. Das bedeutet im Blick auf den nichtchristlichen Elternteil: Er steht am Taufstein, hält evtl. das Kind, nennt evtl. den Namen, erhält stellvertretend die Taufkerze. Die Frage an die Eltern wird geteilt. Beide werden gefragt, ob sie ihr Kind als ein Geschenk dankbar annehmen und nach besten Kräften fördern und erziehen wollen. Sie antworten gemeinsam: Ja. Danach wird der christliche Elternteil gefragt, ob er das Kind zum Glauben hinführen und zum Beten anleiten will, und er antwortet: Ja, mit Gottes Hilfe. Menschen, die von den Eltern für geeignet befunden werden, dem Kind Helfer und Begleiter zu sein, die aber keiner christlichen Kirche angehören, können als Taufzeugen die Taufe mitfeiern. Sie können innerhalb der Familie als Paten bezeichnet werden, ins Kirchenbuch und auf der Taufurkunde werden sie nicht eingetragen.
  14. Wie soll man aber auf Menschen reagieren, welche die Taufe für ihr Kind begehren, aber weder sich noch ihr Kind an Jesus und seine Kirche binden wollen. Besser als die Zurückweisung ist ein Alternativangebot, die Segnung des Kindes. Die Segnung ist nicht mit einer Verpflichtung verbunden, schon gar nicht die Segnung eines Kindes. Aus der Tradition kennen wir die Segnung der Wöchnerin beim ersten Kirchgang. Am Ende eines Sonntagsgottesdienstes wird der Segen über allen Anwesenden gesprochen, nicht nur über den Kirchengliedern.
  15. Diese Feier der Segnung des Kindes (und der Familie) soll deutlich von der Taufe unterschieden sein, aber wie jene festlich gestaltet werden. Sie hat keine kirchenrechtlichen Konsequenzen, begründet z. B. keine Mitgliedschaft in der Kirche. Wesentliche Elemente sind Dank, Verkündigung und Segnung. Biblische Texte etwa Markus 10, Psalm 23, Lob- und Danklieder, Segenslieder. Segenswünsche.
  16. Mit der Segensfeier ist der Kontakt zwischen Kirche und Familie aufgenommen. Ausdrücklich wird Eltern und Kind die Möglichkeit der späteren Taufe benannt. Es wird zu den Angeboten der Gemeinde eingeladen. Wer sein Kind segnen ließ, hat sich damit als offen für den christlichen Glauben gezeigt. Die Kirche kann sich mit diesem Angebot an alle Eltern wenden, kann im Dorf für jedes Neugeborene die Glocken läuten und in der Kirche einen „Baum der Kinder“ aufstellen. Auf Entbindungsstationen können Gemeindeglieder zur Geburt des Kindes gratulieren. Die Kirche kann auf diese Weise deutlich machen, dass Kinder eine Gabe Gottes sind und seine Liebe allen gilt.
  17. Abschließend soll gesagt werden, dass die Kirche eine große Verantwortung für die getauften und die „nur“ gesegneten (und sogar für die ungesegneten) Kinder hat. Taufen und dann die Familien sich selbst überlassen, ist Sünde gegenüber dem Auftrag der Kirche. Lasst die (kleinen) Kinder zu mir kommen! Das heißt zunächst nicht: Tauft sie! Es heißt: Gebt ihnen Platz, Zeit, Geborgenheit, Liebe! Beteiligt sie mit ihren Gaben! Segnet sie! Es ist uns aufgegeben, uns mit viel Fantasie um die Kinder in unseren Gemeinden zu kümmern. Krabbelkreis, Gottesdienst für Kleinkinder, evangelischer Kindergarten, Kindergottesdienst, Christenlehre, Familienfreizeit, Martinstag, Kinderbibeltag, Kurrende, Kontakte zu Kindergärten und Schulen... Auch in unseren Sonntagsgottesdiensten sollen sich Kinder wieder wohlfühlen, weil sie beachtet und beteiligt werden.