Konfirmanden

Meine Konfirmandenzeit

Die bedrückenden Erfahrungen meiner Konfirmandenzeit waren ein Grund dafür, dass ich meinen Pfarrdienst mit dem festen Entschluss begann, es mit den Konfirmanden besser zu machen. Es begann dann zwar mit einer Ernüchterung. Das lockere, vertrauensvolle Verhältnis, welches ich während der Oberschul- und Studienzeit zu den Kindern und Jugendlichen meiner Gruppen hatte, war im KU nicht mehr möglich. Ich war auf meine Rolle als Pfarrer festgelegt. In 33 Dienstjahren erlebte ich große und kleine, brave und freche, lahme und aktive Konfirmandengruppen. Immer war es anstrengend, manchmal niederschmetternd, manchmal lustig, manchmal begeisternd. Im Pfarrkonvent regte ich oft einen Austausch über Konfirmandenarbeit an, der aber selten zustande kam.

Ich weiß, dass sich die Bedingungen des KU besonders durch vielseitige Freizeitangebote und  veränderter Umgang mit Medien stark geändert haben. Trotzdem glaube ich, das manche Erfahrungen noch gültig und manche Anregungen noch brauchbar sind. Meine 33 Dienstjahre waren eben für mich auch „meine Konfirmandenzeit“.

Die Grundeinstellung

Konfirmanden sind gleichberechtigte Partner. Da ist einerseits das enorme Gefälle der Macht und des theologischen Wissens zu Gunsten des Pfarrers und andererseits das Gefälle der Jugendkultur, der Gruppenstärke und des Jung-Seins überhaupt zu Gunsten der Konfirmanden. Belehrung kann nur ein untergeordnetes Teilziel des KU sein. Gemeinsames Fragen, Austauschen, Erleben, Suchen nach dem Glauben ist nur möglich, wenn ich in den Mädchen und Jungen liebenswerte Persönlichkeiten, begabte und ernstzunehmende Jugendliche sehe.

„Konfirmierendes Handeln der Gemeinde“ war seinerzeit ein Leitwort für die Arbeit mit Konfirmanden. Die „Paster-Stunde“ sollte eingebettet sein in Familienfreizeiten, kirchliche Feste und Ereignisse, mit Kontakten zur Jungen Gemeinde und zu älteren Gemeindegliedern und Mitarbeitern der Gemeinde. Leider wurde das Konzept zu wenig umgesetzt.

Gäste einladen

Gäste bringen Abwechslung und erweitern das Lehrer-Schüler-Verhältnis. Ein Kirchvorsteher erzählt, warum er Christ ist, von seinen Aufgaben als KV, und zeigt Bilder von seinem Hobby, dem Radsport. Ein Hebamme spricht von ihrer Arbeit, beantwortet Fragen zu Schwangerschaft und Geburt, erzählt von ihrer Taufe als Erwachsene. Ein Zivi begründet, warum er den Wehrdienst ablehnt, diskutiert darüber, erzählt von seiner Arbeit in der Diakoniestation und was ihm seine Konfirmation bedeutet. Ein katholischer Schüler zeigt seine Kirche und erzählt vom Dienst als Ministrant. Kirchliche Mitarbeiter stellen ihr Arbeitsgebiet vor.

Erlebnisse

Ein Treffen mit einer anderen Konfirmandengruppe, eine Radtour ins Nachbardorf mit Imbiss und  Kirchbesichtigung oder Orgelführung, ein Besuch bei einem Kunsthandwerker, im Advent gemeinsam Plätzchen backen, bei Kranken Weihnachtslieder singen, den Kirchturm besteigen und den Kirchenboden erforschen, an einem Arbeitseinsatz teilnehmen. Eine gemeinsame Übernachtung im Gemeindehaus oder in der Kirche. Teilnahme am JG-Fasching.

Aktionen und Aufgaben

Krankenbesuche und Arbeitseinsatz sind schon genannt. Krippenspiele sind weitgehend üblich, aber man kann auch zu anderer Zeit, z. B. fürs Gemeindefest oder Gottesdienste kleine Spiele einüben. Ein Kollege hat mit einer schwierigen Gruppe einen Film gedreht, ich habe Hörspiele gestaltet.

Interviews mit oder ohne Aufnahmegerät. Fotografieren bei kirchlichen Anlässen.

Gottesdienstbesuch

Es ist üblich, eine Anzahl Gottesdienstbesuche als Bedingung für die Konfirmation vorzuschreiben und durch Unterschriften nachweisen zu lassen. Wenn das Pflichtprogramm abgearbeitet ist, verschwinden die Jugendlichen für lange Zeit. Wer die vorgeschriebene Zahl nicht erreicht hat, wird trotzdem konfirmiert. Ich habe mich für Freiwilligkeit entschieden, für regelmäßige Werbung und Beteiligung. Es gibt viele Möglichkeiten, dass Konfirmanden Aufgaben im Gottesdienst übernehmen: Lesungen, Gebete, Lied singen, musikalische Beiträge, Kollekte sammeln, etwas austeilen, Altarschmuck, Glockengeläut, Spielszenen. Die Ministranten in der katholischen Kirche

sind die bessere Lösung als das bloße „Absitzen“ der Gottesdienste.

In der Konfirmandenmappe gibt es eine Seite, auf der nach und nach ein Mosaikbild entsteht.

Für jede Aktivität gibt es einen farbigen „Mosaikstein“ (Sticker), z. B. gelb für Konfi-Stunde, silbern für Gottesdienstbesuch, golden, wenn noch jemand mitgebracht wurde, rot für jede Art Mitwirkung. Beim Einkleben am Beginn jeder Stunde wird über das Erlebte gesprochen. Das Bild ist dann wie ein Spiegel, wie stark oder wie wenig ich mich in der Kirche engagiert habe.

Eine andere Möglichkeit, einen Anreiz für einen freiwilligen Kirchenbesuch zu schaffen, ist das Fotomäppchen. Nach jedem Kirchenbesuch gibt es ein Foto. Bis zur Konfirmation hat sich das Mäppchen mit Detailfotos der Heimatkirche gefüllt (oder auch nicht).

Konfirmandenstunde

Vielerorts gelingt es nicht mehr, eine wöchentliche Zeit für alle zu finden. Man trifft sich dann einmal im Monat sonnabends. Das ist eine Notlösung. Das regelmäßige Zusammensein ist besser (vgl. Training oder Musizieren). Gegen den Trend, für den KU 45 Minuten anzusetzen, habe ich möglichst eine Doppelstunde gehalten. Dabei war die erste Viertelstunde ohne Programm, zum Ausquatschen. Die Konfirmanden kamen aus verschiedenen Schulen, sie hatten sich viel zu erzählen, und auch ich erfuhr etwas aus ihrem Alltag. Nebenbei wurden die Mosaik-Schnipsel (s. o.) ausgegeben. Für das Thema hatten wir 45 Minuten, davon 10 Minuten Singen (Gruppen, mit den ich singen konnte, waren meist auch sonst aktiv). Die letzte halbe Stunde wurde gespielt, meist Tischtennis chinesisch, aber auch andere Gruppenspiele). Bei dieser Zeitplanung störte es nicht, wenn jemand verspätet kam oder eher ging.

Konfirmandenmappe

Es gibt sehr gutes Unterichtsmaterial, was die Stoffvermittlung betrifft. Gern habe ich Mappen mit Blättern verwendet. Aber nicht vollständig, sondern die Konfirmanden hatten ihre eigene Mappe, in die dann Blätter, die wir besprochen hatten, eingeheftet wurden. Jede(r) hatte eine eigene, selbst gestaltete Mappe „Meine Konfirmandenzeit“ oder „Ich bin Konfirmand(in)“. Sie füllte sich nach und nach mit Arbeitsblättern, selbst gestalteten Seiten, Fotos, Berichten. Farbige Seiten gliederten die Mappe nach Themen: Ich, Gott, Kirche, Jesus, Bibel, Gebete und Gebote.

Themen

Nicht einen Lehrplan abarbeiten, sondern überlegen, was die Konfirmanden in ihrer aktuellen Lebenssituation brauchen, welches Wissen, welche Erfahrungen, welchen Austausch. Die Pubertät ist die Zeit der Verunsicherung und der Suche nach sich selbst. Die Gruppe einerseits und selbst gewählte Vorbilder andererseits sind wichtig. Der Drang nach grenzenloser Freiheit kollidiert mit der Suche nach Annahme und Nähe. Wenn am Ende die Erfahrung steht, dass ich Gott (Jesus, Glauben, Kirche) für mein Leben brauche und den Kontakt zur Gemeinde halten will, ist das Ziel des KU erreicht.

Ich

Ich bin einzigartig. Woher komme ich, wohin gehe ich? Mein Lebensplan. Meine Hobbys. Meine Vorbilder. Meine Erlebnisse mit Kirche. Ich bin Mädchen, Junge.

Gott

Warum Menschen (nicht) an Gott glauben. Interviews. Pro und Contra.

Prominente, die (nicht) an Gott glauben. Schöpfung und Naturwissenschaft.

„Ich glaube nur, was ich sehe“? Die Zukunft unserer Welt.

Kirche

Erlebnisse mit Kirche (+ und -). Meine Taufe: Spruch, Paten, Fotos.

Meine Kirchgemeinde: Mitarbeiter, Kirchenblatt, Kirchenjahr, Landeskirche.

Gottesdienste beurteilen, Zensuren für Predigt, Gesang, Musik, Gebete, Raumgestaltung.

Kirchengebäude: Fotografieren, Messen, Zeichnen. Turm und Glocken. Eine Kirchenführung gestalten. An einem Arbeitseinsatz teilnehmen.

Jesus

Jesusbilder vergleichen. Puzzle „Leben Jesu“. Ausgewählte Erzählungen bei Lukas, dazu Quiz.

Was ist einzigartig an Jesus? Jesus: Gott oder / und Mensch. Warum musste Jesus sterben?

Auferstehung pro und contra.

Bibel

Entstehung, Verbreitung (Bilderbogen), Inhalt (Bibliothek).

Judentum – Christentum – Islam.

Bibelwettaufschlagen. Prophetengeschichte als Puppenspiel spielen (Nabots Weinberg)

Konfirmationssprüche auswählen (Spruchkarten)

Gebete und Gebote

Psalmen betend im Wechsel lesen.

Das Vaterunser gemeinsam beten.

Themen (Bitten) für ein Friedensgebet mit Anzünden von Kerzen.

Mein persönliches Reden mit Gott: Was nützt es? Wie geht es?

Wortlaut der Zehn Gebote. Statements zu ausgewählten Geboten.

Das Doppelgebot der Liebe.

Freizeiten

Ich habe zu zwei Freizeiten von je einer Woche eingeladen. Die Teilnahme an der zweiten war verbindlich als Vorbereitung auf die Konfirmation. Zur ersten fuhren etwa zwei Drittel der Konfirmanden mit. Die Gruppen waren groß genug, und im Abwägen zwischen dem Reiz der Begegnung mit anderen Gruppen und der Intensität der Gemeinschaft in der eigenen Gruppe habe ich meist für eine eigene Freizeit entschieden. Meist fuhren 2 Mitarbeiter(innen) - (Vikare, Eltern oder Jugendliche) mit. Oft hatten wir primitive Quartiere, haben uns selbst verpflegt oder sind zum Mittagessen in eine Gaststätte gegangen. Manchmal haben Jungen und Mädchen abwechselnd gekocht. Die Freizeiten fanden in den Winterferien statt. Morgenandacht, Abendgebet und Tischgebete wurden von Konfirmanden gehalten, ebenso wie andere Dienste eingeteilt wurden.

Auf den Freizeiten klappte meist auch das Singen. In der Regel gingen wir zum Sonntagsgottesdienst und beteiligten uns an der Gestaltung.

Konfirmandenprüfung

Eine „Prüfung“ im Gottesdienst mit Abfragen von Wissen und Aufsagen von Texten habe ich  nicht  abgehalten. Eine Vorstellung der Konfirmanden hat es möglichst frühzeitig gegeben. Zwei Wochen vor dem Konfirmationstermin war der Vorstellungsgottesdienst. Die Konfirmanden stellten sich persönlich vor, erzählten von Erlebnissen in der Konfirmandenzeit und gestalteten die Predigt und den gesamten Gottesdienst mit. In einer Vertretungsgemeinde war ein Prüfungsabend mit KV und Eltern Tradition. Ich bildete gemischte Gruppen (Konf., Eltern, KV) und ließ die Gruppen in einem Quizspiel gegeneinander antreten. Es gab manche Überraschung, was Konfirmanden oder Eltern wussten (oder auch nicht). Manchmal habe ich Konfirmanden gebeten aufzuschreiben, woran sie glauben oder zweifeln, was ihnen an der Kirche gefällt und was nicht. Aus diesen Texten habe ich dann (anonym) im Vorstellungsgottesdienst zitiert.

Konfirmation

Im festlich gestalteten Konfirmationsgottesdienst durften die Konfirmanden weitgehend passiv sein. Die Junge Gemeinde sollte vor allem mitwirken. Der Ablauf war geprobt, für das Fotografieren ein Fachmann beauftragt. Immer wieder gab es Konfirmanden, die offen sagten, dass sie das nur wegen der Geschenke machen. Ich sagte ihnen, dass ich niemand ausschließe, dass es ihre Verantwortung ist, vor der Gemeinde zu versprechen, „im Glauben zu bleiben und zu wachsen“, wenn das eine Lüge ist. Einige Male hat jemand auf die Konfirmation verzichtet, was ich hoch geachtet und auch den Eltern gegenüber vertreten habe. Bei der Konfirmation haben wir in der Regel das Abendmahl gefeiert, ungeachtet der vielen nichtchristlichen Gäste.

 

Einmal gab es im KU eine heftige Debatte über Gott, ob es ihn gibt, wie man ihn sich vorstellen kann usw. Ich fand meine Antworten ungenügend und schlug vor, die Debatte in der nächsten Stunde fortzusetzen. Die ganze Woche dachte ich darüber nach. Als ich in der nächsten Stunde das Thema anschnitt, sagten die Konfirmanden: „Wir müssen das nicht weiter diskutieren. Sie haben uns überzeugt.“ Ein Beispiel für das Sprunghafte, Unberechenbare des KU. Vielleicht hatten sie vor allem testen wollen, ob ich persönlich wirklich an Gott glaube.